Kreuz und quer – ORF 2
26.06.2018
Die Frage der Solidarität ist im europäischen Raum präsent wie schon lange nicht. Die Europäer wenden sich nicht nur auf der bilateralen Ebene immer mehr voneinander ab. Was können wir tun, um einander helfen zu dürfen und dabei immer noch genug für uns selbst behalten zu können?
Die Bereitschaft dem Nächsten oder einem Fremden zu helfen ist bei allen Menschen, sogar bei Tieren, gegenwärtig und in allen Religionen der Welt tief verankert. Dennoch ist Helfen ein schwieriges Unterfangen. „Helfen hat Grenzen. Du musst zur Kenntnis nehmen, dass du nicht alles tun kannst, was du denkst“, meint der ehemalige Caritas-Präsident Franz Küberl, der sein Leben lang davon beseelt war „dass es schon in dieser Welt mehr Gerechtigkeit geben soll – nicht erst in der Vollendung der Welt, wo wir es erwarten und erhoffen.“
Über die christliche Soziallehre wurden viele Schriften und Bücher verfasst. Was ist die wahre Hilfe und wie sollen wir helfen? Die Antwort darauf findet der Theologe und Universitätsprofessor Clemens Sedmak im Gleichnis vom barmherzigen Samariter im Kapitel 10 des Lukas-Evangeliums: „Da geht es darum, dass man wahrnimmt und tätig wird. Ein Mensch, der in Not ist, möge von einem anderen Menschen gesehen und mit dem Herz und mit der Vernunft begleitet werden.“
2007, vor genau elf Jahren, habe ich den damals 24-jährigen Wiener Florian Steurer im Wiener AKH besucht. Er litt an einer Nierenschwäche und musste sich zweimal die Woche einer Blutwäsche unterziehen. Gerade hatte sein Vater beschlossen, ihm eine seiner beiden Nieren zu schenken, was die Chance auf ein „normales“ Leben bei Florian extrem steigern würde. Florian Steurer tat sich aber sehr schwer damit die Niere seines Vaters anzunehmen: „Ja, das ist ein Teil von ihm, das ich dann habe. Er wird aufgeschnitten, so wie ich. Ich habe, glaube ich, eine größere Narbe, aber er muss auch eine Woche da liegen und hat auch noch mindestens fünf Tage lang Schmerzen. Es ist schon eine große Sache, finde ich.“
Als ich Vater und Sohn vor wenigen Wochen besuchte, wurde mir klar, das Florian Steurer mir vor elf Jahren im Wiener AKH die Wahrheit sagte: In der Tat brauchte er Jahre, um das „große“ Geschenk seines Vaters akzeptieren zu können. „Wenn ich sage, ich schenke jemandem etwas, dann wäre ja die Idee eines Geschenks, dass keine Erwartungshaltung damit verknüpft ist. Aber es ist natürlich eine Erwartungshaltung damit verknüpft und sei es die, ich erwarte mir jetzt dafür Dankbarkeit. Und die meisten Menschen, die ich kenne, mich eingeschlossen, empfinden das als anstrengend, ständig dankbar sein zu müssen“, meint Clemens Sedmak.
Viele Menschen sind eher bereit zu helfen, als zuzugeben, dass sie selbst Hilfe brauchen, insbesondere in kleineren Ortschaften, wo „jeder jeden kennt“.
Der Film „Zu Hilfe“ geht der Frage nach, warum Helfen schwierig ist und gibt Menschen, die sich als Profi-, Ehrenamtliche- oder Spontanhelfer mit dem Thema auseinandergesetzt haben Raum und Zeit. Es kommen auch jene zum Wort, die sich selbst nicht unbedingt als hilfsbereit bezeichnen wollen.